Montag, 30. Mai 2011

Norbert: Mein erstes kostenloses Premiumgespräch

Es war ein ziemlich sonniger Tag, ich hatte gute Laune und voller Elan war ich bereit mir ein Exemplar des Typus Finanzberater in Natura anzusehen. Durch ein schon „sechs“ Jahre „sehr gut“ funktionierendes Programm meiner Universität bin ich an dieses „exklusive“ und selbstverständlich „kostenlose“ „Premiumgespräch“ gekommen. Jedenfalls sagte man mir das so bei der Terminvereinbarung am Telefon. Ehrlich gesagt habe ich zu Weihnachten nur einen kostenlosen Glühwein abstauben wollen und hab im Gegenzug bei einer Verlosung dieses Unternehmens teilnehmen müssen. Für Studenten also sehr attraktiv, lass deine Daten da und bekomme Geld und Alkohol. Ich entsinne mich jedoch explizit gesagt und schriftlich hinterlegt zu haben, dass ich in Zukunft keine weiteren Dienstleistungen oder Informationen angeboten bekommen möchte. An letzteres hat an sich dann im Endeffekt gehalten.
Jedenfalls stand ich dann vor einem großen Bürokomplex und freute mich meinen ersten (*jubel*) persönlichen Finanzberater in wenigen Minuten kennenzulernen. Es stellte sich heraus, dass der Herr mit dem ich meinen Termin nur ein fast 30 Jahre alter Trainee zu sein schien. Mein erster Gedanke war nicht, „oh Gott ein Trainee“ nein, er war „Oh Gott der ist fast in Rente und immer noch Trainee, will ich das auch?!“. Der nächste Gedanke war kurz und prägnant: „Nein!“ Nachdem Ich den ersten Schock schnell verdaut hatte begrüßte ich Herrn Finanztrainee und ließ mich in sein kleines 5 qm Domizil führen, in dessen Mitte ein kleiner Glastisch, drei Stühle und ein Traineeausbilder, perfekt zu den Himmelsrichtungen ausgerichtet, drapiert waren. Moment. Ausbilder? Innerlich stellte ich mich schon auf zwei Stunden Kreuzverhör, schlechte Präsentationen und zwei vermutlich komplett vom BWL-Stumpfsinnigkeitsvirusses vereinnahmten bemitleidenswerten Wesen ein. Bevor ich es vergesse. Der Anlass des Gesprächs war das Erstellen meiner persönlichen Finanzstrategie. Kann ja nicht schaden so etwas schon einmal mit 20 gemacht zu haben. Schließlich ist man ja gut verdienender BAföG Empfänger und Ebbe herrscht so gut wie nie auf dem Konto. Das war den beiden auch mehr als bewusst und deswegen versuchte man mir auch Basistarif-Versicherungen, die mich insgesamt wohl mein ganzes BAföG gekostet hätten, aufzuschwatzen. Aber ich hätte garantiert eine 100% abgesicherte Zukunft gehabt. Dazu später mehr.
Was mir gleich auffiel waren hübsche Pappflyer und irgendwelche Vertragsunterlagen, die offen auf dem Tisch lagen. Die Vertragsunterlagen selbstverständlich mehr oder weniger verdeckt aber die mit einem neonorangen Marker unterlegten Schlagwörter in diesem Waschmaschienenkaufvertrag schienen durch sämtliche Abdeckungen hindurch. Da ahnte ich schon, dass ich dieses mehrseitig (*ich hasse übrigens das folgende besonders*) ZUSAMMENGETAKERTE und MARKIERTE Dokument zu unterschreiben hatte. „So bevor wir anfangen Herr * nichts wissender* Student, bitten wir Sie noch schnell diesen Versicherungsvertrag zu unterschreiben, lesen Sie sich die Unterlagen doch noch einmal kurz durch, die Wichtigen stellen haben wir für Sie schon markiert.“. Wusste ichs doch! Naja in das Spiel steige ich mal mit ein, schließlich war das ja die Kernaufgabe des Trainees mir dieses Stück Papier unterschrieben wieder zu entlocken. „Ja kein Problem, ich schlage vor, dass wir das Gespräch fortsetzen und nebenbei les ich mir den Vertrag in Ruhe durch.“ „Können sie das denn?“ Entgegnete der Ausbilder. „Ja selbstverständlich, ich kann meine Aufmerksamkeit gezielt auf einzelne Dinge lenken“. Was den beiden nun grinsenden Finanzexperten wohl zu entgehen schien war die Tatsache, dass ich nun offen gesagt hatte Ihnen in den kommenden Minuten nicht mehr zuzuhören. So kommentierte ich die komplette Einführung mit zustimmen Grummellauten. Das war mehr als genug Bestätigung für den Herrn Trainee, welcher stets bemüht war mir aus seiner Broschüre vorzulesen. Natürlich waren auch hier die Schlagwörter schon markiert und parallel durfte ich auch mitlesen. Premium Service nenne ich so etwas.
Der Höhepunkt war dann eine Zeitleiste in der ich doch bitte die Entscheidenden Phasen meines Lebens umkreisen sollte. Da diese durch sehr harmonisch wirkende Bilder, welche ich zuletzt in der letzten Wachturmausgabe gesehen hatte, dargestellt waren, fiel es dem Trainee sichtlich schwer ganze Sätze zu bilden. So blieb es bei zwei Wort Satzkonstrukten. „Ehm Familie“ „Öh Rente“ „Und Erbe“. So verkauft man Produkte, durch kurze Einprägsame Wörter und Bilder! Spätestens an dem Punkt ahnte ich schon, dass ich hier den wohl zwei inkompetentesten Finanzberater in der Geschichte der Menschheit gegenüber saß. Die Befürchtung wurde zur Gewissheit als mir dann dank meines ausgezeichneten Studentenkontosaldos von stets gegen Null gehend die vorhin angesprochenen Basisversicherungen angeboten wurden. Ich frage mich immer noch, welchen Sinn eine Berufsunfähigkeitsversicherung (kurz BU, damit es fachlicher klingt. JAAA BWLer LIEBEN Abkürzungen) für einen wie mich ohne Beruf und Abschluss bringen würde. Ich habe mir diesbezüglich Unterlagen schicken lassen. Darunter auch zwei sehr aussagekräftige Artikel aus der BILD. Gespickt mit viel Angst, Hass, dem Wetterteil und dem Mädels von der Rückseite. „Armut ohne Vorsorge!“ steht in großen Lettern über dem Dreizeiler.
Die „BU“, wie die beiden Genies meinen vorerst finanziellen Tod bezeichneten, hätte mich auch nur 75 Euro im Monat gekostet. Ein Schnäppchen, schließlich könnte ich ja morgen von einem Bus schwer verletzt werden und dann meinen Beruf als Student nicht mehr ausüben. Furchtbar wie viel Studentengehalt da flöten gehen würde.
Sichtlich enttäuscht steckte ich den hübschen Vertrag in meine Tasche, suchte noch nach ein paar netten Worten und verabschiedete mich höflich. Eins steht fest. Ich such mir irgendwann mal einen fähigen Steuerberater und bin lieber kein Premiumkunde. Das spart Zeit und ich hätte den hübschen Tag auch genauso gut die Vorbereitung meiner noch nicht bestandenen Matheklausur bei einem Bierchen mit Freunden im Biergarten anfangen können. Der Nutzen wäre ebenfalls gleich Null gewesen und ich hätte wenigstens was für mein Geld bekommen.

- Norbert

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